Nach dem Ersten Weltkrieg begann im Südosten Berlins
eine intensive Siedlungstätigkeit. Bei vielen Bewohnern der Großstadt
Berlin wurde der Wunsch geweckt, in freier Natur ein Stückchen Land
zu besitzen, um dort das Wochenende in frischer und gesunder Luft zu verleben.
Aber auch die Wohnungsnot, die bei dem ständigen Zuzug nach Berlin
in der Stadt zunahm, mag manchen bewogen haben, den Wohnstandort nach außerhalb
zu verlegen, um damit der Enge der Mietskasernen mit ihren Hinterhöfen
endlich entfliehen zu können.
Hinzu kam die günstige Lage der Orte Eichwalde,
Schulzendorf, Zeuthen, Miersdorf und Wildau an der Berlin-Görlitzer
Eisenbahn und der Dahme-Wasserstraße beziehungsweise in deren Nähe.
Diese Bedingungen trugen dazu bei, daß in dem Zeitraum von 1920 bis
1938 die beiden Orte Wildau und Miersdorf an mehreren Stellen nahtlos ineinander
übergingen.
Das verlief natürlich nicht ohne Schwierigkeiten.
Ein jahrelanger Verhandlungsstreit zog sich über den Austausch von
Parzellen wegen ungünstiger Lage der Grenze zwischen den beiden Gemeinden
von 1930 bis etwa 1939 hin. Vorschläge der einen Gemeinde stießen
bei der anderen Seite fast immer wegen finanzieller Belange durch Steuernachteile
auf Widerspruch. Erst ernsthafte Forderungen der Kreisbehörden führten
zu einer Übereinkunft.
Diese Querelen behinderten aber keineswegs die Besiedlungstätigkeit,
zumal der Hauptteil des in Frage kommenden Geländes beider Orte im
Besitz der Industrie war, nämlich der Berka (Berlin-Karlsruher-Industrie-Werke)
und der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik zu Berlin. So hatte auch
der Rittergutsbesitzer Richard Israel aus Schulzendorf, der umfangreiche
Ländereien in Miersdorf besaß, am 6. Dezember 1919 einen Teil
davon an die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik verkauft. Darunter befanden
sich die Gebäude des Gutshofes, das Erholungsheim, das als Schulgebäude
III mehrere Jahrzehnte genutzt und das 1883 vom damaligen Gutsbesitzer
Lichtenberger als Verwaltungsgebäude errichtet wurde. Dazu gehört
auch das gegenüberliegende Tagelöhnerhaus (Schnitterhaus), das
Israel im Jahr 1894 erbauen ließ und das als Schulgebäude II
diente. Zu diesem Gelände gehörte noch eine Fläche von etwa
44 ha, die begrenzt wurde von der Waldpromenade, der Dorflage Miersdorf,
etwa dem Miersdorfer See und der Gemarkungsgrenze zu Schulzendorf mit dem
Ebbegraben. Diese Fläche gehörte allerdings nicht zur Wald- und
Gartensiedlung, ging aber in industriellen Besitz über.
Beide Gemeinden (Miersdorf und Wildau) hatten mit den
Berka vertraglich vereinbart, daß ausgewiesenes Straßen- und
Platzland einschließlich der Freiflächen für öffentliche
Zwecke kostenfrei zu übereignen seien. Das Gesamtgelände sollte
von durchgehenden Grünstreifen durchzogen sein, die als Kurpark bezeichnet,
den Rahmen für die geplante Wald- und
Gartenstadt bildeten.
Die Besiedlung sollte in folgender Weise durchgeführt werden: Die Berka hatten die Firma Schrobsdorf-Immobilien vertraglich zu verpflichten, nach Möglichkeit das Siedlungsgelände blockweise zu erschließen. Sobald in einem Block eine Parzelle verkauft war und die Gemeinden eine Straße anzulegen wünschten, sollte das betreffende Straßen- und Platzland von Berka an die Gemeinden übereignet werden. So entfiel jede finanzielle Belastung der Gemeinden.
Für die Anlage der einzelnen Grundstücke waren
feste Normen gefordert, um den Charakter der Gesamtanlage als Wald- und
Gartensiedlung zu wahren. Die Grundstükke waren mit einem Drahtzaun
von einem Meter Höhe einzuzäunen, der von beiden Seiten von einer
Hecke aus Feldahorn zu verkleiden war.
Dies sollte erreicht werden, indem innerhalb eines Jahres
pro laufendem Meter drei Pflanzen Feldahorn zu setzen waren. Die Höhe
der gesamten Einfriedung durfte 1,50 Meter nicht überschreiten. Außerdem
mußten an den Straßen Linden gepflanzt werden. Falls ein Parzellen-Bewerber
eine andere Bepflanzung wünschte, so konnte er diese im Einverständnis
mit dem jeweiligen Gemeindevorstand wählen. Aber
der Bestimmung über die Regelung der Einzäunung mußte sich
jeder Bewerber einer Parzelle beugen.
Ein besonderer Anreiz für die Siedlung sollte das
Seebad an der Dahme werden. Zwischen der Fähre nach Miersdorf-Werder
und dem ehemaligen Sägewerk König an der Fontaneallee sollte
es auf einer Fläche von 25 000 qm mit 250 Meter Wasserfront auf Wildauer
Anregung hin angelegt werden. Die Berka hatten sich verpflichtet, dieses
Gelände einem Zweckverband, der zu gleichen Rechten aus den Gemeinden
Wildau und Miersdorf gebildet werden sollte, unentgeltlich und kostenfrei
zu übereignen. Die Aufgabe des Zweckverbandes wäre es dann gewesen,
eventuell mit Hilfe eines Generalpächters das Seebad mit einem Sandstrand
und mit entsprechenden Gebäuden einzurichten. Die Erhebung eines Eintrittsgeldes
und dessen Höhe sollten der Bestimmung des Zweckverbandes vorbehalten
bleiben. Den Eigentümern von Parzellen der Gartensiedlung und deren
eventuellen Rechtsnachfolgern sollten Freikarten auf die Dauer von zehn
Jahren zustehen.
Neben dem Seebad war die Anlage von Bootsstegen geplant,
die vorzugsweise den Parzellenbesitzern zur Verfügung gestellt werden
sollten.
Um sowohl den Interessen der Siedler nach einer günstigen
Verkehrsanbindung zu entsprechen, als auch den zahlreichen Berliner Wochenendausflüglern
ein attraktives Freizeitangebot zu bieten, natürlich spielten hier
auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle, wurden Verhandlungen mit der
Reichsbahn geführt zur Anlage eines neuen Haltepunktes
„Seebad Wildau“ an der Görlitzer Bahn. Da die Anlage
eines neuen Bahnhofs aber nur im Rahmen des schon lange beabsichtigten
4-gleisigen Ausbaus der Strecke erfolgen konnte, die Reichsbahn stets aber
anderen Streckenerweiterungen höhere Prioritäten einräumte,
kam dieses Projekt über das Planungsstadium nie hinaus.
(Mattern)